Theater: Der Besuch der alten Dame

Inszenierung in Blaubeuren überzeugt Publikum

Die alljährlichen Theateraufführungen des Evangelischen Seminars Blaubeuren sind schon lange ein Geheimtipp für die Theaterliebhaber in der Region. Da sind Profis am Werk, drei Aufführungen sind ausverkauft, das ganz besondere Ambiente des mittelalterlichen Klosterdorments gibt seinen Charme dazu.

Wer hätte gedacht, dass Dürrenmatts Klassiker „Der Besuch der alten Dame“ derart aktuell und spannungsreich inszeniert werden könnte? Ein großes Erlebnis fürs Publikum - und gewiss auch für die Mitwirkenden. Regisseur war Sebastian Gengnagel.

In seiner Begrüßung teilte Ephorus Jochen Schäffler, der gelegentlich auch in die Rolle eines Mitspielers schlüpfte, mit, dass der Aufführung eine zweite, 1966 entstandene, Fassung des Stücks zugrunde liege. Er brachte seine Freude über dieses Gemeinschaftsprojekt zum Ausdruck, zwei Drittel der Schüler seien beteiligt in verschiedenen Funktionen, die Bühnenmusik sei selbst erarbeitet und eingespielt.

Das dreidimensionale Bühnenbild, entstanden im Kunstunterricht unter Leitung von Isabel Fuchs, passt farblich hervorragend ins historische Ambiente und zeigt verwinkelte Kleinstadtgassen. Die erste Szene zeigt drei am Bahnhof Wartende, die Zeitung lesend in heruntergekommenen Klamotten, stocksteif in Originaluniform steht dabei der Bahnhofsvorsteher. Die Kleinstadt, in der sie leben, schildern sie als ruiniert: Lautmalerisch heißt sie „Güllmen“, die meisten Bewohner leben von „Suppenküchen“. „Höchste Zeit, dass die Milliardärin, Besitzerin von Ölvorkommen, Railway-Linien, Vergnügungsvierteln in Bangkok, eintrifft“, konstatieren sie zigarettenrauchend. Denn sie ist eine „Hiesige“, aufgewachsen in Güllmen, in der weiten Welt bekannt als Wohltäterin.

Ein „großer Bahnhof“ ist geplant, mit Rede vom Bürgermeister und „Ännchen von Tharau“ des gemischten Chores sowie einer Pyramide des Turnvereins. Doch grotesk: Die Milliardärin trifft früher ein als erwartet, hat die Notbremse gezogen, besticht gleich mal den Bahnhofsvorsteher. Sie reist an mit Gefolge: einem Butler, zwei Eunuchen „Koby und Loby“, zwei Sänftenträgern „Roby und Toby“, einem schwarzen Panther im Käfig und ihrem Ehemann - und einem Sarg. Schon in der ersten Szene wird klar, mit wie viel Liebe zum Detail in dieser Inszenierung in die Ausstattung erfolgte: stimmige Kostüme, ein perfekt bemalter Sarg. Nelly Tuda verkörpert ausdrucksstark die heimgekommene Klara, jetzt heißt sie „Claire“: Sie ist schön, eine Mischung aus Arroganz, Kälte, Grausamkeit, früh enttäuschten Erwartungen. Sanft wird sie nur an den Erinnerungsorten mit Alfred Ill (weißes T-Shirt, schwarze Hose, hellblaues Jacket, meist zigaretterauchend) - mit Friedrich Schenk ebenfalls großartig besetzt. Er beherrscht alle Nuancen der Wandlung vom siegessicheren Ex-Liebhaber zum gescheiterten, reumütig bekennenden Büßer.

Nach Plan sucht das frühere Liebespaar frühere „Orte der Leidenschaft“ auf: Unter anderem einen Wald, in dem die Bäume sich ausdauernd und eindrucksvoll im Wind wiegen, selbst ein geschnitztes Herz „AC“ ist von der Ausstattung gefertigt worden. Claire Zachanassian vereitelt die Pläne auf schnellen Wohlstand der Kleinstadt und ihrer Bürger. Sie hat eine alte Rechnung offen mit Alfred, der sich vor Jahrzehnten nicht zu seiner Vaterschaft bekannte, vor Gericht sogar zwei falsche Zeugen vorführte und Klara dadurch aus der Heimatstadt und in die Prostitution vertrieb, das Kind verstarb „in der christlichen Fürsorge“. Sie schlägt den Bürgern einen grausamen Deal vor: Sie stiftet eine Milliarde, davon 500 Millionen für die Stadt, 500 Millionen für die Bürger. Ausgezahlt wird nach der Tötung von Alfred.

Hervorragend kommt in der Inszenierung zum Ausdruck, wie die anfängliche Stimmung einer klaren Ablehnung langsam kippt. Immer wieder wird der Sarg durchs Bild getragen, Kränze werden angeliefert. Die Zuschauer nehmen begleitend „Spiel mir das Lied vom Tod“ wahr. Alfred betreibt mit seiner Familie einen kleinen Laden, der langsam einem Ruin zutreibt. Seine Mitbürger kaufen teure Waren nur noch auf Kredit, alle haben plötzlich Geld für neue Schuhe. Der soziale Druck auf Alfred wächst: Der Pfarrer (Laura Gelhaar) flüchtet sich in Allgemeinplätze, rät ihm zur Flucht, doch mit Koffern am Bahnhof bricht er zusammen. Der Bürgermeister (nuancenreich verkörpert von Ella Bischofberger) rückt rasch von seiner Loyalität ab, der Fleischermeister (Sebastian Gangnagel) händigt Alfred ein geladenes Gewehr aus. Dem Anschein nach lässt sich auch seine eigene Familie kaufen: die Kostümbildner sorgten symbolisch für einen edlen Wintermantel für die Frau und ein schickes Kleid für die Tochter. Der Polizist (Pia Gerhardt) verkörpert sehr überzeugend Gesetzestreue. Auch der Lehrer (Charlotte Hantel) gerät ins Wanken, nicht nur wegen des ausgeschenkten „Steinhägers“: „Der Glaube an die Humanität ist machtlos“.

Im Lauf der Handlung wird deutlich, dass Claire ihren Rachefeldzug von langer Hand geplant hat: Die falschen Zeugen von damals hat sie erblindet und als ihre beiden Eunuchen Koby und Loby eingestellt: mit schwarzen Sonnenbrillen, alle Sätze wiederholend, intensiv verkörpert von Annelie Brandt und Paula Burkhardt. Den Richter hat sie mit viel Geld aus dem Amt gelockt und zu ihrem Butler gemacht: Marvin Graser brilliert souverän in dieser Rolle eines „Ergebenen“. Ihre Leibwächter Toby und Roby sind Ex-Strafgefangene, dauer-kaugummikauend cool interpretiert von Valentina Dourado Braungart und Timea Coy. Ihre Agenten haben die Firmen der Stadt aufgekauft und damit zur Gesamtverarmung beigetragen.

Eine Gemeindeversammlung mit Medienvertretern beschreibt „eine gewisse Zwangslage der Stadt“ - das Stück endet mit der Tötung Alfreds durch die Mitbürger. Die Presse und herbeigeeilten TV-Journalisten interpretieren den Tod Alfreds als „Tod aus Freude“, das Volk sieht weg. Gedeutet werden kann das Stück als moderne Kapitalismuskritik: Ist Gerechtigkeit käuflich?

(Ilse Fischer-Giovante für die Schwäbische https://www.schwaebische.de/regional/ulm-alb-donau/blaubeuren/inszenierung-in-blaubeuren-ueberzeugt-publikum-2641365 )


Hausmusikabend am 27.06.24

Am 27.06.2024 fand der zweite Hausmusikabend in diesem Jahr im Dorment statt. Wie immer war das Konzertprogramm eine große Überraschung: Innerhalb von kurzer Zeit kamen über 20 musikalische und literarische Beiträge zusammen, die dem Publikum ein abwechslungsreiches Konzert von fast zwei Stunden Dauer bescherten.

Dabei reichte die musikalische Bandbreite von virtuoser Instrumentalmusik für Violine und Klavier, über klassischen Gesang und Horn-Duette bis hin zu Ukulelen-Ensemble, Pop, Musical und Jazz.

Der Hausmusikabend bietet immer wieder die hervorragende Gelegenheit, sich mit dem zu präsentieren, was man allein oder zusammen mit anderen geprobt und erarbeitet hat – und es ist immer wieder toll, dabei so viele Talente zu entdecken!

Das Programm des Abends kann hier eingesehen werden.


Seminarkonzert am 14.04.2024

Am Sonntag, dem 14.04.2024 fand das alljährliche Seminarkonzert im Dorment des Klosters statt. Unsere Semis gestalteten in den verschiedensten Ensembles ein abwechslungsreiches Konzertprogramm von Barock bis Bossa Nova. Das zahlreich erschienene Publikum bedankte sich mit lang anhaltendem Applaus.

Das Programmheft ist hier als PDF einsehbar.


4. A Cappella Jugendcamp

Vom 31.07. bis zum 07.08.23 findet im Kloster Blaubeuren zum vierten Mal das A Cappella Jugendcamp statt: 65 junge Menschen kommen in diesem Jahr aus ganz Deutschland zusammen, um gemeinsam unter der Leitung von Kim Newcomb (Indianapolis, USA) und Jan Liermann zu proben. Auch in diesem Jahr nehmen wieder einige Semis am A Cappella Jugendcamp teil.

Das Abschluss-Konzert des diesjährigen A Cappella Jugendcamps findet am 06.08.23 um 17:00 Uhr in der Evangelischen Stadtkirche. 

Der Eintritt ist frei. Um Spenden wird gebeten. 

Weitere Informationen und den Link zum Livestream des Konzerts am 06.08.2023 findet man unter: http://www.acappella-jugendcamp.de


#nachmirdiesintflut

Unter dem Titel #nachmirdiesintflut befassten sich die Musik-Leistungskurse der Promotionen 19/23 und 20/24 künstlerisch mit dem Klimawandel. In insgesamt 8 Stücken setzten die Schülerinnen und Schüler ihre Gedanken zum Thema um: Dabei ging es vom Sprechstück für 4 Stimmen, über Klangcollagen und Video-Schnitt bis hin zur Musikproduktion.
Die Werke kamen im Rahmen des Hausmusikabends am 23.06.23 und als "Musik zur Marktzeit" in der Blaubeurer Stadtkirche am 24.06.23 zur Aufführung.

Jakob Hantel und Friedrich Schenk – Natural Destruction Collapsing Iceberg
Musikproduktion mit Zuspielung

Emma Eisenhardt – #nachmirdiesintflut
Sprechstück für 4 Stimmen

Elias Göggel – Climate Spiral
Video | Komposition für 2 Violinen und Kontrabass

Linda Stricker und Rahel Thalmeyer – Run, Forrest, Run!
Klangcollage + Video


Die Welle – Berichte im Blaumännle am 05. und 19.05.23

Blaumännle am 05.05.2023:

Blaumännle am 19.05.2023:


12er Konzert "Das Comeback"

Am 12.11.22 fand nach mehreren Jahren ohne Konzert zum ersten Mal wieder das traditionelle "12er-Konzert" im Dorment des Klosters Blaubeuren statt. Unter dem Titel "Das Comeback" präsentierte die Promo 19/23 vor großem Publikum ein abwechslungsreiches und mitreißendes Programm von Gregorianik bis Pop, das sie kreativ in Szene setzte. Die Zuhörenden waren begeistert!

 


Konzertabend mit Lionel und Demian Martin

Am 29.10.22 konzertieren die Brüder Lionel und Demian Martin mit Cello und Klavier im Dorment des Klosters Blaubeuren. Sie spielen Musik aus unterschiedlichen Epochen und improvisieren anschließend auf Zuruf des Publikums.

Lionel Martin (2003) ist in Tübingen aufgewachsen und verbrachte seine ersten beiden Lebensjahre in Perth, Australien. Im Alter von 5 Jahren begann er mit dem Cellospiel an der Tübinger Musikschule bei Joseph Hasten, seit 2020 studiert er bei Prof. Thomas Grossenbacher an der Zürcher Hochschule der Künste. Seit Februar 2017 ist er Stipendiat der Anne-Sophie Mutter Stiftung.
Beim Wettbewerb Ton & Erklärung 2022 in Hannover gewann er als jüngster Teilnehmer den 1. Preis. Zuvor erzielte er bei "Jugend Musiziert" zahlreiche erste Bundespreise, mit der Höchstpunktzahl in der Kategorie Violoncello solo. Beim internationalen Online-Wettbewerb Perusia Harmonica gewann er 2020 den ersten Preis in der Senior-Kategorie.
Während der Pandemie 2020 war er zusammen mit seinem Bruder Gast bei Daniel Hope’s Sendung Hope@Home, die von ARTE übertragen wurde. Außerdem wirkte er bei Anne-Sophie Mutters Benefizkonzerten in Kirchen und Altersheimen mit, deren Spenden an den Nothilfefonds der Deutschen Orchester-Stiftung für selbstständige Musiker gehen.
Für 2021 gewann Lionel nach erfolgreichem Auswahlverfahren den Förderpreis „SWR2 New Talent“, der eine 3-jährige Förderung durch CD-Produktionen, Konzerte und Rundfunkbeiträge beinhaltet.
Er erhielt wichtige musikalische Anregungen durch Unterricht bei Lynn Harrell, Martti Rousi, Jens Peter Maintz, Jan Vogler sowie Yo-Yo Ma.

Demian Martin wurde 1998 in Filderstadt geboren und wuchs in Tübingen auf. Er ist als Pianist und Improvisationskünstler sowie als Komponist und Produzent von Filmmusik tätig. Pianistisch ausgebildet wurde er von Janet Wilson (Perth, Australien), Karin Mielich (Tübingen) und Prof. Friedemann Rieger (Stuttgart), bevor er seinen Bachelor of Music im Fach Klavier bei Prof. Konrad Elser an der Musikhochschule Lübeck absolvierte. Früh begann er, autodidaktisch zu improvisieren und zu komponieren. Heute gehört Improvisation auf Zuruf des Publikums und in beliebigem Genre zu seinen Aufritten, ebenso wie Konzertmoderation und kabarettistische Formate. Im Duo mit seinem Bruder, dem Cellisten Lionel Martin, konzertiert er in Deutschland und in der Schweiz und wurde durch den SWR, WDR und durch ARTE ausgestrahlt. Neben seinem Klavierstudium ist er ausgebildeter Kirchenorganist. Derzeit studiert er Filmmusik an der Filmakademie des Landes Baden-Württemberg in Ludwigsburg.

http://www.lionel-martin.com

Das Konzert beginnt um 20.15 Uhr – Der Eintritt ist frei.