Streiter wider den Hass – 4. Blaubeurer Stadtgespräch mit Heribert Prantl am 8.11.2024
Um Demokratie – vor allem ihren Schutz – ging es in den Stadtgesprächen mit dem bekannten Publizisten und Juristen Heribert Prantl.
Margot Autenrieth-Kronenthaler, Blaumännle / SWP, 15.11.2024
Ist die Meinungsfreiheit in Deutschland in Gefahr? Darf man sagen, was man denkt?
Um solche Fragen ging es beim 4. Blaubeurer Stadtgespräch im Klosterkirchensaal. Zu Gast war der renommierte Publizist Prof. Heribert Prantl, der in einem anderthalbstündigen Vortrag seine Sicht der Dinge darstellte und nicht zuletzt ein politisches Betätigungsverbot für Neonazis wie etwa Björn Höcke (AfD) sowie ein Verbotsverfahren gegen die AfD forderte.
Ephorus Jochen Schäffler konnte als Hausherr gut 200 Besucher begrüßen. Der Abend wurde von Dekan Frithjof Schwesig moderiert. Er stellte Prantl vor – als einen politischen, streitbaren Journalisten, als kenntnisreichen Kolumnisten der Süddeutschen Zeitung, als engagierten Zeitzeugen und bekennenden katholischen
Christen. Zudem ist Prantl studierter Jurist und war vor seiner journalistischen Karriere als Richter und Staatsanwalt tätig.
Mit seiner markanten Stimme sprach Prantl die Zuhörer immer wieder als Demokratinnen und Demokraten an. „Die Meinungsfreiheit ist der innerste Kern der Demokratie, und mit ihr steht und fällt sie“, sagte der Publizist.
Grenzen der Meinungsfreiheit würden nur durch das Strafrecht gesetzt. Wenn es Orgien aus Hass, Ehrverletzungen, aggressivem Mobbing, Schmähkritik oder Hetze gibt, sei die rote Linie überschritten. „Ich stand fassungslos vor der Verrohung, das Internet wurde zur Kloake.“ Meinungsfreiheit sei jedoch nie eine Mehrheits-Meinungsfreiheit, betonte er. Sie sei immer auch das Recht der Andersdenkenden. Wenn Grenzen überschritten werden, müsse das Konsequenzen haben. Er kritisierte die oft inkonsequente Strafverfolgung. Die Justiz sei noch nicht richtig aufgestellt und müsse schnell personell und technisch in die Lage versetzt werden, konsequent reagieren zu können, forderte Prantl.
Die Demokratie sei das erfolgreichste, beste „Betriebssystem“, mit dem die Zukunft miteinander gestaltet werden könne. Gerade Autokraten rechtfertigten ihren Machterhalt mit „demokratischen“ Wahlen. „Ich fürchte, in den USA müssen wir in Kürze diese Pervertierung erleben.“ Die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit seien stützende Institutionen für die Demokratie. Pressefreiheit brauche es, um die Grundrechte zu verteidigen. Prantl forderte einen verantwortungsvollen, qualitativ hochwertigen Journalismus.
Wie erkennt man guten Journalismus? Journalisten müssten sachkundig, neugierig, ausdauernd, wahrheitsliebend, souverän, sorgfältig und mit einem Aufklärungsinteresse arbeiten, lautete seine Antwort. „Journalismus braucht Qualität. Es geht nicht um Klicks oder Auflage, sondern um die Frage, wie man Vertrauen schafft“, appellierte er. Die Macht und die Mächtigen gelte es zu kontrollieren, die Wahrheit müsse ans Licht, etwa durch Aufdeckung von Skandalen. Der Journalismus könne als Moderator und Motor für Veränderung tätig werden. Die Pressefreiheit müsse die Würde des Menschen verteidigen, gerade die der Minderheiten. Es gelte, gegen den Hass zu arbeiten, zu schreiben, zu senden, forderte Prantl. „Der Hass ist mächtig, eine furchtbare Kraft. Er entmenschlicht.“ Die Demokratie bilde auch eine Wertegemeinschaft, und wer diese Werte aktiv bekämpfe wie Björn Höcke und andere Neonazis, der missbrauche das Grundgesetz und gehöre mit Einsatz von Artikel 18 mit einem politischen Aktionsverbot belegt, forderte Prantl. Der Publizist plädierte für eine streitbare und wehrhafte Demokratie. „Wer die Grundrechte missbraucht, der verwirkt sie. Der Notfall ist eingetreten.“
In der anschließenden Fragerunde erhielt er spontanen Beifall, als er die Einleitung eines AfDVerbotsverfahrens forderte. Er habe die Radikalisierung beobachtet. Er werte damit nicht die Wähler. „Man muss die Partei politisch und auf dem juristischen Weg bekämpfen, mit den Mitteln und Möglichkeiten des Grundgesetzes.“ Auch auf die Gefahr hin, dass es misslingt? „Ich würde es trotzdem probieren wollen“, sagte Prantl. Die Besucher kamen noch miteinander in lebhafte Gespräche. Am Büchertisch fanden Prantls Werke guten Absatz. Der Abend klang im Kreuzgang bei Kerzenlicht und Liedern aus.