Feier nach zwölfjährigen Bauarbeiten
Am kommenden Freitag, 26. Oktober, feiert das Evangelische Seminar ab 13 Uhr den Abschluss der zwölfjährigen und fast 14 Millionen Euro teuren Erweiterungs- und Sanierungsarbeiten an Seminar und Klostergebäude. Ephorus Henning Pleitner blickt „froh und dankbar“ auf die vielen Veränderungen zurück. Aufgrund der Investitionen von Kirche und Land habe das Seminar jetzt eine „optimale Ausstattung“, der Seminarbereich „ist klasse geworden“, resümiert er.
Anlass des Umbaus war 2006 die Umstellung auf das achtjährige Gymnasium im Land. Zunächst war unsicher, wie es dann mit den Seminarschulen in Maulbronn und Blaubeuren weitergehen soll. „Das wichtigste war, dass Land und Landeskirche in einer bewussten Entscheidung Geld für beide Standorte zur Verfügung gestellt haben“, berichtet Pleitner. So konnten beide Schulen ab 2009 ausbauen und die Klassen 9 bis 12 einrichten. Bei fortgesetzter Ausrichtung auf eine humanistische Bildung und gleichbleibender Stipendienförderung wurde die Zahl der Schüler in Blaubeuren von 75 auf 100 erhöht.
Da das im Klosterhof liegende ehemalige Forstamt aufgelöst wurde, konnte dieses Gebäude 2007 vom Seminar übernommen und als Schüler- und Lehrerwohnhaus umgebaut werden. Es folgte die Komplettsanierung des Wohn- und Arbeitsbereichs der Mittelstufe im Klostergebäude und die Renovierung des Neubaus von 1975 für die letzte Klasse, die in Einzelzimmern untergebracht ist.
„Die schwierigste Zeit war, als Speisesaal und Küche umgebaut wurden“, erinnert sich Ephorus Pleitner an rund eineinhalb Jahre während der Renovierungsphase, der mit einigem Aufwand verbunden war: „Damals mussten alle schon fürs Frühstück ihren Kittel anziehen und zum alten Spitel laufen, wo wir die alte Küche und den Speisesaal nutzen konnten.“ Der klösterliche Speisesaal wurde derweil behutsam renoviert und neu ausgestattet – ebenso das Dormitorium, das zusammen mit dem Ephorat das Kloster zu einem „Baudenkmal von nationaler Bedeutung“ macht. Bei der Ausstattung orientierte man sich am klösterlichen Ideal der Schlichtheit und Nachhaltigkeit. „Das ist sehr ästhetisch“, freut sich Pleitner – ebenso wie eigens gebaute Eichenholzmöbel und die modernen Bäder. Die Unterrichtsräume wurden auf den aktuellen technischen Stand gebracht.
Während der Renovierungsarbeiten zeigten sich gravierende statische Schäden in der mittelalterlichen Dachkonstruktion des Klosters: Holzbalken hatten sich verzogen und abgesenkt, Decken drohten einzustürzen. Ohne massive Eingriffe wären Klosterkirchensaal und Dorment gefährdet gewesen. Eine in die Dächer eingebrachte aufwändige Stahlkonstruktion stabilisiert jetzt die Dächer nachhaltig. Zugleich wurden schadhafte Dachziegel und Mauerwerk ausgetauscht. Dabei verwendete man wenn möglich alte Ziegel aus anderen Klöstern. Für das Dach der Klosterturms fertigte eine Brennerei im Elsass neue Ziegel in alter Handformtechnik einzeln angefertigt. Im Klosterkirchensaal wurden Einbauten der 80er Jahre entfernt und so der schöne schlichte Charakter des Raumes wiederhergestellt. Alle Brandschutzbestimmungen können jetzt für Großveranstaltungen eingehalten werden, berichtet Pleitner.
Ein Nebeneffekt der Sanierung war die gründliche bauhistorische Untersuchung des Klosters, das noch gut erkennbar wesentliche Teile des ersten Klosterbaus enthält. So ist der Speisesaal des Klosters aus dem 15. Jahrhundert auf den Resten des darunter liegenden ersten Klosters erbaut, die zugemauerte Zugangstür dazu ist im Kreuzgang zu sehen. Eine ausführliche Publikation zur Baugeschichte wird Anfang nächsten Jahres erscheinen.
Als „ein richtiges Wunder“ schätzt Pleitner, dass die Umbau- und Sanierungsarbeiten trotz der vielen, unerwarteten Schäden im Kostenrahmen geblieben sind. „Kompliment an die vom Amt für Vermögen und Bau geplanten und begleiteten Baumaßnahmen“, sagt Pleitner. Nicht zuletzt das sei für den Träger des Seminars, die Evangelische Seminarstiftung Stuttgart, ein Grund zum Feiern: „Das Seminar Blaubeuren ist nach zwölfjähriger Renovierung wieder offen für die Zukunft.“
Sanierungsarbeiten und Veränderungen an und in den Blaubeurer Klostergebäuden wurden in den jetzt 463 Jahren des Bestehens der Internatsschule immer wieder durchgeführt. Nach der Umwandlung des ursprünglichen Benediktinerklosters zur Internatsschule für begabte Landeskinder 1556 öffnete sich die bis dahin ausschließlich humanistische Schule Anfang des 18. Jahrhunderts den Naturwissenschaften.
1817 wurde die Klosterschule in „Evangelisches Seminar“ umbenannt, der evangelische Abt hieß jetzt „Ephorus“, die Seminaristen mussten keine Mönchskutten mehr tragen und die tägliche Weinration wurde gestrichen. Der erste Schulsportplatz Deutschlands wurde am Kloster eingerichtet. Mit der gymnasialen Oberstufenreform 1975 kam ein neues Gebäude hinzu und Mädchen wurden aufgenommen.
Das Blaumännle, 19.10.2018