Ein kultureller Höhepunkt jedes Schuljahres ist die Aufführung der Theater-AG.
Die Haupttätigkeit der Theater-AG umfasst jedoch nicht nur die dreifache Aufführung an einem Wochenende im Frühsommer, sondern vielmehr die lange Proben- und Vorbereitungsphase, die unter der Regie von Sebastian Gengnagel stattfindet.
Zu Beginn des Schuljahres kann jede/r, die/der will, ein Stück vorschlagen, das sie/er bei einem eigens hierfür anberaumten Treffen vorstellt. Per Mehrheitsvotum wird dann das zu spielende Stück bestimmt.
Die Regie (eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern und Herr Gengnagel) organisiert nun das Casting, bei dem die Rollen, für die mehrere ihr Interesse anmelden, ausgespielt werden. Bevor die eigentliche Probenarbeit beginnt, steht im Anschluss das Kürzen des Stücks auf dem Programm.
Weitere Gruppen kümmern sich um Kulissen, Maske, Technik und Kostüme. So sind an den Aufführungen üblicherweise ca. 3/4 aller SchülerInnen in irgendeiner Funktion beteiligt und tragen alle zum Gelingen der Aufführungen bei.
Aufgeführt wurde in den letzten Jahren
- 2012 „Antigone“ von Sophokles
- 2013 „Romulus der Große“ von Friedrich Dürrenmatt
- 2014 „Küßchen, Küßchen“ von Roald Dahl
- 2015 „Jugend ohne Gott“ von Ödön von Horváth
- 2016 „Die Nashörner“ von Eugène Ionesco
- 2017 „Was ihr wollt“ von William Shakespeare
- 2018 „Frank V“ von Friedrich Dürrenmatt
- 2019 „Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht
- 2022 „Linie 1“ von Volker Ludwig mit Musik von Birger Heymann
- 2023 „Die Welle“ nach Morton Rhue
- 2024 „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt
- Ausblick 2025 „Der Sängerkrieg der Heidehasen“ von James Kruess
2024 "Der Besuch der alten Dame"
Inszenierung in Blaubeuren überzeugt Publikum
Die alljährlichen Theateraufführungen des Evangelischen Seminars Blaubeuren sind schon lange ein Geheimtipp für die Theaterliebhaber in der Region. Da sind Profis am Werk, drei Aufführungen sind ausverkauft, das ganz besondere Ambiente des mittelalterlichen Klosterdorments gibt seinen Charme dazu.
Wer hätte gedacht, dass Dürrenmatts Klassiker „Der Besuch der alten Dame“ derart aktuell und spannungsreich inszeniert werden könnte? Ein großes Erlebnis fürs Publikum – und gewiss auch für die Mitwirkenden. Regisseur war Sebastian Gengnagel.
In seiner Begrüßung teilte Ephorus Jochen Schäffler, der gelegentlich auch in die Rolle eines Mitspielers schlüpfte, mit, dass der Aufführung eine zweite, 1966 entstandene, Fassung des Stücks zugrunde liege. Er brachte seine Freude über dieses Gemeinschaftsprojekt zum Ausdruck, zwei Drittel der Schüler seien beteiligt in verschiedenen Funktionen, die Bühnenmusik sei selbst erarbeitet und eingespielt.
Das dreidimensionale Bühnenbild, entstanden im Kunstunterricht unter Leitung von Isabel Fuchs, passt farblich hervorragend ins historische Ambiente und zeigt verwinkelte Kleinstadtgassen. Die erste Szene zeigt drei am Bahnhof Wartende, die Zeitung lesend in heruntergekommenen Klamotten, stocksteif in Originaluniform steht dabei der Bahnhofsvorsteher. Die Kleinstadt, in der sie leben, schildern sie als ruiniert: Lautmalerisch heißt sie „Güllen“, die meisten Bewohner leben von „Suppenküchen“. „Höchste Zeit, dass die Milliardärin, Besitzerin von Ölvorkommen, Railway-Linien, Vergnügungsvierteln in Bangkok, eintrifft“, konstatieren sie zigarettenrauchend. Denn sie ist eine „Hiesige“, aufgewachsen in Güllen, in der weiten Welt bekannt als Wohltäterin.
Ein „großer Bahnhof“ ist geplant, mit Rede vom Bürgermeister und „Ännchen von Tharau“ des gemischten Chores sowie einer Pyramide des Turnvereins. Doch grotesk: Die Milliardärin trifft früher ein als erwartet, hat die Notbremse gezogen, besticht gleich mal den Bahnhofsvorsteher. Sie reist an mit Gefolge: einem Butler, zwei Eunuchen „Koby und Loby“, zwei Sänftenträgern „Roby und Toby“, einem schwarzen Panther im Käfig und ihrem Ehemann – und einem Sarg. Schon in der ersten Szene wird klar, mit wie viel Liebe zum Detail in dieser Inszenierung in die Ausstattung erfolgte: stimmige Kostüme, ein perfekt bemalter Sarg. Nelly Tuda verkörpert ausdrucksstark die heimgekommene Klara, jetzt heißt sie „Claire“: Sie ist schön, eine Mischung aus Arroganz, Kälte, Grausamkeit, früh enttäuschten Erwartungen. Sanft wird sie nur an den Erinnerungsorten mit Alfred Ill (weißes T-Shirt, schwarze Hose, hellblaues Jacket, meist zigaretterauchend) – mit Friedrich Schenk ebenfalls großartig besetzt. Er beherrscht alle Nuancen der Wandlung vom siegessicheren Ex-Liebhaber zum gescheiterten, reumütig bekennenden Büßer.
Nach Plan sucht das frühere Liebespaar frühere „Orte der Leidenschaft“ auf: Unter anderem einen Wald, in dem die Bäume sich ausdauernd und eindrucksvoll im Wind wiegen, selbst ein geschnitztes Herz „AC“ ist von der Ausstattung gefertigt worden. Claire Zachanassian vereitelt die Pläne auf schnellen Wohlstand der Kleinstadt und ihrer Bürger. Sie hat eine alte Rechnung offen mit Alfred, der sich vor Jahrzehnten nicht zu seiner Vaterschaft bekannte, vor Gericht sogar zwei falsche Zeugen vorführte und Klara dadurch aus der Heimatstadt und in die Prostitution vertrieb, das Kind verstarb „in der christlichen Fürsorge“. Sie schlägt den Bürgern einen grausamen Deal vor: Sie stiftet eine Milliarde, davon 500 Millionen für die Stadt, 500 Millionen für die Bürger. Ausgezahlt wird nach der Tötung von Alfred.
Hervorragend kommt in der Inszenierung zum Ausdruck, wie die anfängliche Stimmung einer klaren Ablehnung langsam kippt. Immer wieder wird der Sarg durchs Bild getragen, Kränze werden angeliefert. Die Zuschauer nehmen begleitend „Spiel mir das Lied vom Tod“ wahr. Alfred betreibt mit seiner Familie einen kleinen Laden, der langsam einem Ruin zutreibt. Seine Mitbürger kaufen teure Waren nur noch auf Kredit, alle haben plötzlich Geld für neue Schuhe. Der soziale Druck auf Alfred wächst: Der Pfarrer (Laura Gelhaar) flüchtet sich in Allgemeinplätze, rät ihm zur Flucht, doch mit Koffern am Bahnhof bricht er zusammen. Der Bürgermeister (nuancenreich verkörpert von Ella Bischofberger) rückt rasch von seiner Loyalität ab, der Fleischermeister (Sebastian Gengnagel) händigt Alfred ein geladenes Gewehr aus. Dem Anschein nach lässt sich auch seine eigene Familie kaufen: die Kostümbildner sorgten symbolisch für einen edlen Wintermantel für die Frau und ein schickes Kleid für die Tochter. Der Polizist (Pia Gerhardt) verkörpert sehr überzeugend Gesetzestreue. Auch der Lehrer (Charlotte Hantel) gerät ins Wanken, nicht nur wegen des ausgeschenkten „Steinhägers“: „Der Glaube an die Humanität ist machtlos“.
Im Lauf der Handlung wird deutlich, dass Claire ihren Rachefeldzug von langer Hand geplant hat: Die falschen Zeugen von damals hat sie erblindet und als ihre beiden Eunuchen Koby und Loby eingestellt: mit schwarzen Sonnenbrillen, alle Sätze wiederholend, intensiv verkörpert von Annelie Brandt und Paula Burkhardt. Den Richter hat sie mit viel Geld aus dem Amt gelockt und zu ihrem Butler gemacht: Marvin Graser brilliert souverän in dieser Rolle eines „Ergebenen“. Ihre Leibwächter Toby und Roby sind Ex-Strafgefangene, dauer-kaugummikauend cool interpretiert von Valentina Dourado Braungart und Timea Coy. Ihre Agenten haben die Firmen der Stadt aufgekauft und damit zur Gesamtverarmung beigetragen.
Eine Gemeindeversammlung mit Medienvertretern beschreibt „eine gewisse Zwangslage der Stadt“ – das Stück endet mit der Tötung Alfreds durch die Mitbürger. Die Presse und herbeigeeilten TV-Journalisten interpretieren den Tod Alfreds als „Tod aus Freude“, das Volk sieht weg. Gedeutet werden kann das Stück als moderne Kapitalismuskritik: Ist Gerechtigkeit käuflich?
(Ilse Fischer-Giovante für die Schwäbische https://www.schwaebische.de/regional/ulm-alb-donau/blaubeuren/inszenierung-in-blaubeuren-ueberzeugt-publikum-2641365 )
2023 "Die Welle"
2022 "Linie 1"
2019 "Die Dreigroschenoper"
2018 "Frank V"
EVA MENNER
Blaubeuren Auch die häufigen Szenenwechsel in Dürrenmatts Stück waren angesichts der räumlich beengten Verhältnisse im Dorment des Klosters eine Herausforderung. Aber wie fast schon gewohnt meisterten die jungen Schauspieler alle Schwierigkeiten.
In der „Komödie einer Privatbank“ geht es um die kriminelle Machenschaften in der von Frank, dem Fünften( Konrad Lohse) und seiner Ehefrau Ottilie (Johanna Kunzi) geführten Bank. Die Geschäfte laufen schlechter als früher, deshalb wollen sie die Bank liquidieren. Personalchef Richard Egli (Anna Aggelákos) ist ein williger Untergebener, der gehorsam die Befehle ausführt und dafür sorgt, dass niemand aus der Reihe tanzt. Schließlich bringt er sogar seine Geliebte Frieda Fürst (Sarah Grund), die der Bank als Prostituierte dient, um.
Mit Kunden werden betrügerische Geschäfte gemacht, die Mitarbeiter wie Prokurist Böckmann (Reik Schlitter) und Neuling Päuli Neukomm (Maximiliane Körber) beklauen die Bank, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Ihren beiden schon erwachsenen Kindern gaukeln Frank und Ottilie ein braves Leben vor und wähnen sie deshalb in Unwissenheit über ihre verbrecherischen Geschäfte. Das erweist sich allerdings als fataler Irrtum. Sohn Herbert (Johann Krafft) übernimmt mithilfe eines erpresserischen Coups schließlich die Bank und Tochter Franziska (Lea Pommer) den Job der Frieda. In einer der letzten Szenen spielen sich Frank und seine Frau vor, dass sie vom Treiben der Kinder nicht wissen.
Als habe Dürrenmatt viel spätere Ereignisse wie Finanzblase und Bankenskandal vorausgeahnt, fleht Ottilie in dem Stück den Staatspräsidenten an, sie zu bestrafen und die Bank zu schließen. Stattdessen bekommt sie einen Scheck überreicht. Am Ende sieht man den degradierten Egli den Boden fegen, der aber versichert, er werde garantiert wieder an die Spitze zurückkehren – ein Symbol für die Macht des Kapitals.
Erstaunlich souverän agierten die Schüler auf der Bühne, bewegten sich präzise in einer durchdachten Choreografie und sangen die leicht schrägen Lieder mit vielsagenden Titeln wie „Halunken mit Stil sind rar“, „Was wir schieben und raffen“ oder „In Oxford wurde ich erzogen“.
Genial wieder einmal das Bühnenbild, das die verschiedenen Schauplätze deutlich machte. Die Requisiten auf der Bühne waren sehr genau durchdacht, sodass die Szenenwechsel schnell vonstatten gingen. Großes Lob für die Schüler, zum Teil Abiturienten, die es sich trotz Prüfungsstress nicht nehmen ließen, auf der Bühne zu stehen.
Erscheinungsdatum: 15.06.2018, Copyright Das Blaumännle
2017 "Was ihr wollt"
Voller Spielfreude – Eine gelungene Teamleistung mit teils herausragenden Schauspielern
Amüsant, souverän und voller Spielfreude brachte die Theater AG des evangelischen Seminars Shakespeares
Komödie „Was ihr wollt“ auf die Bühne.
EVA MENNER
Blaubeuren·: Das Publikum bei den drei fast ausverkauften Vorstellungen am Wochenende dankte für den kurzweiligen Abend mit anhaltendem Applaus. „Was ihr wollt“ ist ein Spiel mit Maskeraden, Verwechslungen, Geschlechtervertauschung, die Irrungen und Wirrungen der Liebe. Mag auch manche Figur darin Tragik umwehen, so setzt die Theater AG des evangelischen Seminars doch hauptsächlich auf die komischen Elemente. Kurz die Geschichte: Viola hat ein Schiffsunglück vor der Küste Illyriens überlebt, bei dem ihr Zwillingsbruder Sebastian ums Leben gekommen zu sein scheint. Als Knabe verkleidet tritt sie in die Dienste des Herzogs Orsino. Dieser ist unsterblich verliebt in die Gräfin Olivia, die aber aus Trauer um ihren verstorbenen Bruder sieben Jahre lang ihr Gesicht verschleiern und die Gesellschaft von Männern meiden will. Viola, die sich nun Cesario nennt, verliebt sich in Orsino, Olivia dagegen in den „jungen Mann“ Cesario. Dann taucht der ertrunken geglaubte Zwillingsbruder Sebastian wieder auf. Schließlich klären sich alle Verwechslungen auf und die Verliebten finden zueinander.
Herrlich affektiert spielte Konrad Lohse den schwärmerischen Orsino, sehr souverän und überlegt gaben Johanna Kunzi und Lee Heidemann die Viola bzw. die Olivia. Als komödiantisches Talent entpuppte sich Florian Maerker als Hofnarr. Für viele Lacher im Publikum sorgten Till Obermeyer als Tobias Rülps ständig betrunkener Onkel Olivias und Jakob Zweigle als leichtgläubiger, dümmlicher Junker Andreas Schmerzwang. Johann Krafft spielte die Rolle des Haushofmeisters Malvolio mit exaltierter Mimik und tobte mit knallgelben Kniestrümpfen, kreuzweise geschnürt über die Bühne, da man ihm vorgegaukelt hatte, so liebe es Olivia.
Insgesamt war die Aufführung eine gelungene Teamleistung, zu der alle Schauspielerinnen und Schauspieler beitrugen. Weitere Rollen: Reik Schlitter (Sebastian, Violas Bruder), Julia Hascher (Antonio, Schiffshauptmann), Emmeline Mack (Maria, Olivias Kammerzofe), Nelly Brändle (Junker Fabian). Auch Regisseur Sebastian Gengnagel gönnte sich wie stets eine Minirolle. Stumm blieb in der Rolle eines bei Shakespeare nicht verbürgten Gebüschs Ansgar Hoffmann. Kostümmäßig war Zurückhaltung angesagt, man hatte sich für schwarz entschieden, lediglich aufgelockert um ein paar Accessoires wie goldene Knöpfe oder ein buntes Jäckchen für den Narren, ein durchdachtes Konzept, das sich nicht um historisches Brimborium scherte. Besonderes Lob gebührt wieder einmal dem Kulissenteam. Die kurzen, schnell wechselnden Szenen waren eine Herausforderung auf der engen Bühne im Dorment. Vier gemalte Hintergrundbilder, die Kunstlehrerin Isabel Fuchs und ihr Team geschaffen hatten, von denen je nach Szene drei verdeckt blieben, kennzeichneten den Ort der Handlung. Ein Tisch und ein paar Stühle genügten als Mobiliar. Perfekt eingespielt wurde kurz umgebaut und schon ging’s weiter. Die kurzen Umbauten wurden dem Publikum mit Livemusik von Trompete und Flügel versüßt.
Erscheinungsdatum: 19.05.2017, Copyright Das Blaumännle